Die Energiewende kommt – so viel ist sicher, nur wann und wie ist noch unklar: Einen großen Teil der Energie der Zukunft soll die Windkraft beisteuern, doch aktuell tobt an vielen Orten in Mitteldeutschland ein Kampf um den Bau von Windrädern. In Thüringen zum Beispiel.
- Um die Klimaziele zu erreichen, müssten in Thüringen viel mehr Windräder gebaut werden als bisher.
- Dass das nicht passiert, liegt an einem Flächenproblem.
- Umwelt- und Energieministerin Anja Siegesmund will das ändern.
Wer wissen will, wie es um den Ausbau der Windkraft in Thüringen steht, der kommt an Frank Hummel nicht vorbei. Er ist Thüringen-Chef des Bundesverbandes Windenergie, projektiert dazu seit mehr als 10 Jahren Windkraft-Anlagen. Sein Büro hat er mitten im Thüringer Wald. Hier dürfen Windräder nicht gebaut werden. Waldgebiete sind aktuell vom Windkraftanlagen-Bau ausgenommen.
Kriterien für Windvorrang-Gebiete in Thüringen sollen auf den Prüfstand
So bleibt Frank Hummel nur der Blick auf das kleine, hölzerne Windrad auf seinem Schreibtisch bei der Frage, wie es der Windkraft in Thüringen denn so geht. "Nicht sehr gut, wir haben, wenn man sich die Ausbau-Ziele anschaut, in Thüringen in den letzten Jahren ganz wenig Anlagen gebaut. Das sind zwischen neun und 15 Anlagen pro Jahr. Bauen müssten wir tatsächlich in der Größenordnung 30, 40, 50 Anlagen pro Jahr, um überhaupt auf die Klimaziele im Jahr 2040 zu kommen."
1.000 Windkraftanlagen müssten es sein
Momentan stehen im Freistaat 872 Windräder. Alle zusammen liefern etwa 1.700 Megawatt Strom. Um das Klimaziel zu schaffen, müssten es aber mehr als 1.000 Anlagen sein mit einer Energie-Ausbeute zwischen 5.000 und 7.000 Megawatt. Das Problem: Aktuell fehlt für den Bau von Windrädern die ausgewiesene Fläche.
Das Ausbau-Ziel der Landesregierung ist nämlich ebenfalls in Gefahr. Auf einem Prozent der Fläche des Freistaats sollen sich künftig Windräder drehen können. Aktuell sind es nur 0,33 Prozent. Das wiederum liegt an den vier Regionalen Planungsgemeinschaften. Sie sollen Vorranggebiete für die Windkraft suchen und ausweisen. In einem Regionalplan.
Sachsen-Anhalt hat das größte Potenzial für Windkraft
Sachsen ist vergleichsweise ungeeignet für Windkraftanlagen
Thüringens Norden ist gut für Windkraftanlagen geeignet
Doch der Widerstand gegen diese Feststellung ist groß, berichtet Frank Hummel vom Bundesverband Windenergie: "Wir haben in Ostthüringen seit Ende letzten Jahres einen Regionalplan, wo jetzt schon ein Gericht gesagt hat, dass er so nicht rechtskräftig ist. Wir haben in Mittelthüringen einen Regionalplan, der zwar gültig ist seit 2020, aber beklagt wird. Und wir haben in den beiden anderen Regionen Regionalpläne, die noch aus dem Jahr 2012 sind und dort läuft seit vier Jahren eine Fortschreibung, allerdings ohne Ergebnis."
Umweltministerin Siegesmund will schnelleren Ausbau von Windkraft
Gebaut werden kann also kaum. Ein Zustand, der Umwelt- und Energieministerin Anja Siegesmund von den Grünen stört. Sie will die Planungsphase, die aktuell manchmal mehr als sieben Jahre dauern kann, deutlich verkürzen. "Nämlich, in dem wir die Bauleitplanung dahingehend ändern, dass Kommunen, wenn sie einstimmige Gemeinderatsbeschlüsse haben, selbstständig die Flächen ausweisen und in die Planungsprozesse gehen können. Dazu brauchen wir eine Veränderung der Thüringer Kommunalordnung. Das ist ein politischer Beschluss, der muss herbeigeführt werden. Diese Beschleunigung ist machbar."
Irgendwo müssen die Windenergie-Anlagen ja stehen, sich drehen, sauberen Energiemix herstellen.
Anja Siegesmund Umweltministerin Thüringen
Dazu braucht es allerdings eine Mehrheit im Landtag. Rot-Rot-Grün hat keine, muss die Abgeordneten von CDU oder FDP überzeugen. Das Hauptargument der Ministerin dabei passt in einen Satz: "Irgendwo müssen die Windenergie-Anlagen ja stehen, sich drehen, sauberen Energiemix herstellen."
Ohne Ausbau keine Energiewende
Außerdem hofft die Ministerin auf sanften Druck aus den Rathäusern. Sie hat bei Bürgermeistern und Gemeinderäten durchaus die Bereitschaft festgestellt, dass ein oder andere Windrad vor den Toren der Kommune aufzustellen. Nicht nur der sauberen Energie wegen: "Diese Anlagen werden aufgebaut, die werden gewartet, die erzeugen Gewerbesteuer-Einnahmen." Diese sind sechststellig pro Jahr und Anlage.
Deshalb ist Anja Siegesmund guten Mutes, dass der Ausbau der Windkraft im Freistaat an Tempo gewinnt in den nächsten Monaten. Anders wäre die Energiewende allerdings auch kaum zu schaffen. Der Anteil der Windkraft am Energiemix der Zukunft liegt – nach vorsichtigen Schätzungen – bei 60 bis 70 Prozent.
Quelle: MDR Aktuell